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Medizinisches Cannabis bei Fibromyalgie: Linderung möglich, Nebenwirkungen häufig

by CX
medizinisches Cannabis Fibromyalgie

Große britische Langzeitstudie liefert neue Einblicke

Eine neue Studie aus dem Vereinigten Königreich zeigt, dass medizinisches Cannabis die Lebensqualität von Menschen mit Fibromyalgie spürbar verbessern kann – insbesondere in Bezug auf chronische Schmerzen, Angstzustände und Schlafprobleme. Doch: Die Behandlung ist nicht nebenwirkungsfrei.

Die im Fachjournal Clinical Rheumatology veröffentlichte Studie basiert auf Daten von 497 Patientinnen und Patienten, die über 18 Monate hinweg mit Cannabis-basierten Arzneimitteln (CBMPs) behandelt wurden. Es handelt sich damit um die bisher größte Analyse realer Behandlungsdaten dieser Art im Vereinigten Königreich.


Was ist Fibromyalgie?

Fibromyalgie ist ein chronisches Schmerzsyndrom, das durch weit verbreitete Muskel- und Gelenkschmerzen gekennzeichnet ist. Hinzu kommen oft MüdigkeitSchlafstörungenKonzentrationsprobleme („Fibro-Nebel“) und psychische Belastungen wie Depressionen oder Angstzustände. Rund 5 % der Erwachsenen sind betroffen, mehrheitlich Frauen.

Als eine der Hauptursachen gilt eine sogenannte zentrale Sensibilisierung – das Nervensystem reagiert überempfindlich auf eigentlich harmlose Reize. Die gängigen Medikamente wie Antidepressiva oder Antikonvulsiva wirken häufig nur begrenzt und werden schlecht vertragen.


So wurde die Studie durchgeführt

Die Teilnehmer:innen hatten bereits herkömmliche Behandlungen ohne ausreichenden Erfolg ausprobiert und erhielten daraufhin CBMPs in Form von Ölen, Kapseln oder inhaliertem Blütenmaterial. Im Verlauf der Studie wurden sie regelmäßig zu folgenden Aspekten befragt:

  • Schmerzintensität und -verteilung
  • Schlafqualität
  • Allgemeine Lebensqualität (EQ-5D-5L)
  • Angstniveau (GAD-7-Skala)
  • Subjektiver Gesamteindruck der Veränderung (PGIC)

Deutliche Verbesserungen – vor allem zu Beginn

Die Ergebnisse zeigen:

  • Schmerzen und Erschöpfung nahmen bereits im ersten Monat spürbar ab.
  • Auch Schlaf und psychisches Wohlbefinden verbesserten sich.
  • Patienten, die hohe Dosen von CBD (>25 mg/Tag) einnahmen oder bereits zuvor Cannabis konsumiert hatten, zeigten bessere Behandlungserfolge.
  • Die durchschnittliche THC-Dosis stieg im Studienverlauf von 2 mg auf über 110 mg pro Tag – ein Hinweis auf zunehmende Toleranz und Dosisanpassung.

Nebenwirkungen traten häufig auf

Insgesamt berichteten 227 der 497 Teilnehmenden (rund 46 %) über Nebenwirkungen – insgesamt wurden 2100 unerwünschte Ereignisse (UEs) dokumentiert:

  • Die häufigsten waren Müdigkeittrockener Mund und Konzentrationsstörungen.
  • 85 % der Nebenwirkungen waren leicht bis moderat, doch 306 waren schwerwiegend, zwei sogar lebensbedrohlich (Angstzustände und Lungeninfektion).

Interessanterweise hatten Cannabis-erfahrene Personen, Menschen mit schlechter Schlafqualität zu Beginn und die Altersgruppe 41–50 Jahre ein geringeres Risiko für Nebenwirkungen.

Ein hoher CBD-Gehalt war dagegen mit einem erhöhten Risiko für Nebenwirkungen verbunden, besonders bei Personen mit bestehender Angstproblematik.


Was bedeutet das für Patient:innen?

Die Studie macht Hoffnung, ist aber auch mit Vorsicht zu interpretieren: Da es sich um eine Beobachtungsstudie ohne Kontrollgruppe handelt, lässt sich kein eindeutiger Ursache-Wirkungs-Zusammenhang herstellen.

Zudem bestand ein möglicher Selektionsbias – ein Großteil der Patient:innen hatte bereits Erfahrungen mit Cannabis gemacht und war möglicherweise offener für die Therapie. Auch die private Herkunft der Patientendaten könnte die Übertragbarkeit einschränken.

Nichtsdestotrotz liefert die Studie wertvolle Langzeitdaten aus der Praxis, die zeigen: Medizinisches Cannabis kann bei Fibromyalgie ein wirksamer Baustein im Behandlungskonzept sein – insbesondere bei therapieresistenten Fällen. Weitere kontrollierte klinische Studien sind jedoch dringend erforderlich.


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FAQ – Häufige Fragen kurz erklärt

Was ist CBD?
CBD (Cannabidiol) ist ein nicht-psychoaktives Cannabinoid aus der Hanfpflanze. Es wirkt entzündungshemmend und angstlösend, ohne einen „Rausch“ auszulösen.

Und THC?
THC (Tetrahydrocannabinol) ist die psychoaktive Hauptsubstanz im Cannabis. Es beeinflusst das Schmerzempfinden, das Bewusstsein und die Stimmung.

Was bedeutet zentrale Sensibilisierung?
Dabei handelt es sich um eine Überempfindlichkeit des Nervensystems, bei der Schmerzreize verstärkt oder auch ohne echten Auslöser wahrgenommen werden – ein Kernmechanismus bei Fibromyalgie.

Was sind PROMs?
PROMs (Patient-Reported Outcome Measures) sind standardisierte Fragebögen, mit denen Patient:innen ihre eigenen Beschwerden und Verbesserungen dokumentieren – z. B. bei Schmerz, Schlaf oder Lebensqualität.

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