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Warum Cannabis nicht bei allen wirkt: Die Rolle der Genetik

by CX
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Eine neue Studie zeigt, wie unsere DNA das körpereigene Cannabinoid-System beeinflusst – und den Weg zur personalisierten Medizin ebnet

Nicht jeder reagiert gleich auf Cannabis. Einige Menschen entspannen sich bereits nach wenigen Tropfen CBD-Öl. Andere spüren selbst bei höheren Dosen kaum etwas. Warum das so ist? Die Antwort liegt in unseren Genen.

Eine groß angelegte Studie zeigt: Die Aktivität des sogenannten Endocannabinoid-Systems (ECS) – eines biologischen Netzwerks, das Schmerzen, Stimmung und Entzündungen reguliert – hängt stark von individuellen genetischen Unterschieden ab. Die Erkenntnisse erklären, warum Cannabis bei manchen wirkt und bei anderen nicht – und eröffnen neue Wege für individuelle Therapien, insbesondere in der Schmerz- und Frauengesundheit.

Was ist das Endocannabinoid-System – und warum ist es so wichtig?

Das ECS besteht aus Rezeptoren, Enzymen und Transportproteinen, die viele lebenswichtige Funktionen im Körper regulieren: Schlaf, Appetit, Stimmung, Immunantworten und Fruchtbarkeit. Die beiden wichtigsten körpereigenen Cannabinoide – Anandamid (AEA) und 2-AG – ähneln in Struktur und Wirkung den Inhaltsstoffen von Cannabis (THC und CBD).

Wie lange und wie stark Cannabinoide im Körper wirken, hängt davon ab, wie effizient sie gebildet, transportiert und abgebaut werden. Diese Prozesse wiederum werden genetisch gesteuert. Zum ersten Mal haben Forschende nun genau kartiert, wie unsere Gene das ECS beeinflussen.

Genetik im Einsatz

Ein Team unter der Leitung von Dr. Keisuke Tanaka analysierte die genetischen Daten von fast 32.000 Personen aus dem eQTLGen-Konsortium838 Gewebeproben aus dem GTEx-Projekt sowie eine eigene Datenbank mit 206 Proben aus dem Endometrium. Ihr Ziel: sogenannte eQTLs (expression Quantitative Trait Loci) zu identifizieren – Genomregionen, die die Aktivität von ECS-relevanten Genen steuern.

Untersucht wurden 70 Schlüsselgene, die für die Synthese, den Abbau, Transport und Empfang von Cannabinoiden zuständig sind.

Zentrale Ergebnisse:

  • Über 60 % der ECS-Gene im Blut sind von genetischen Variationen betroffen.
  • Gene, die für den Abbau von Cannabinoiden verantwortlich sind, zeigten die größte genetische Empfindlichkeit– entscheidend dafür, wie lange diese Stoffe im Körper aktiv bleiben.
  • Der genetische Einfluss ist gewebespezifisch: Haut, Lunge und Muskulatur reagieren besonders stark. Weibliche Fortpflanzungsorgane hingegen zeigen eine hohe genetische Stabilität – möglicherweise ein evolutionärer Schutzmechanismus.

Das weibliche Reproduktionssystem: ein besonderer Fall

Für die Gynäkologie ist die Studie besonders relevant – etwa bei Erkrankungen wie Endometriose oder chronischen Beckenschmerzen. Die Forscher fanden heraus, dass Gebärmutter, Eierstöcke und Endometrium deutlich weniger genetische Variabilität bei ECS-Genen aufweisen. Das könnte erklären, warum Cannabis-Therapien bei manchen Frauen wirken – und bei anderen kaum.

Besonders auffällig war das Gen FABP3, das ein Transportprotein für Anandamid codiert. Eine bestimmte Mutation (rs115552871) beeinflusst maßgeblich die Aktivität dieses Gens. Bei manchen Menschen bleibt Anandamid dadurch länger aktiv, bei anderen wird es schneller abgebaut. Da FABP3 auch mit THC und CBD interagiert, könnte es als genetischer Marker für die Cannabis-Empfindlichkeit dienen.

Personalisierte Medizin auf dem Vormarsch

Die Daten sind eindeutig: Eine Standardtherapie mit Cannabinoiden funktioniert nicht für alle. Die genetische Ausstattung jedes Einzelnen ist entscheidend. In naher Zukunft könnten genetische Tests helfen, cannabisbasierte Behandlungen zu personalisieren – etwa durch:

  • Vorhersage, wer besonders gut auf die Therapie anspricht;
  • Wahl der passenden Dosis und Darreichungsform;
  • Vermeidung von Nebenwirkungen und Überdosierung.

Besonders in der Frauengesundheit eröffnet das neue Möglichkeiten für gezielte, wirkungsvolle Therapien.

Genetische Fairness: ein globales Ziel

Ein Wermutstropfen: Die meisten genetischen Datenbanken basieren auf europäischen Populationen. Die Studienautor:innen betonen deshalb die Notwendigkeit, ethnisch vielfältigere Datensätze zu erfassen – um sicherzustellen, dass personalisierte Medizin weltweit gerecht und wirksam angewendet werden kann.

Fazit

Das Endocannabinoid-System ist ein entscheidender Bestandteil unserer Gesundheit – und es wird maßgeblich durch unsere Gene gesteuert. Dass über die Hälfte der ECS-Gene von genetischen Varianten beeinflusst wird, erklärt die großen Unterschiede in der Wirkung von Cannabis. Besonders das Gen FABP3 könnte künftig eine wichtige Rolle in der Diagnostik und Therapie spielen. Die personalisierte Cannabis-Medizin ist keine Zukunftsvision mehr – sie beginnt jetzt.

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Häufige Fragen (FAQ)

Was sind Cannabinoide?

Cannabinoide sind Wirkstoffe aus der Cannabispflanze (wie THC und CBD) oder vom Körper selbst produziert (Endocannabinoide). Sie binden an spezielle Rezeptoren und beeinflussen unter anderem Schmerzempfinden, Stimmung, Appetit und Entzündungsprozesse.

Was ist das Endocannabinoid-System?

Das ECS ist ein biologisches Netzwerk aus Rezeptoren (CB1, CB2), Enzymen und Signalmolekülen. Es sorgt für die Aufrechterhaltung der inneren Balance im Körper – zum Beispiel durch die Regulation von Schlaf, Immunfunktionen, Schmerz und Fruchtbarkeit.

Was ist personalisierte Medizin?

Personalisierte oder präzisionsmedizinische Therapie bedeutet, dass Behandlungen individuell auf die genetischen, biologischen und lebensstilbedingten Eigenschaften einer Person abgestimmt werden – mit dem Ziel besserer Wirksamkeit und geringerer Nebenwirkungen.

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