Es geht nicht nur ums Abschalten
Warum konsumieren junge Erwachsene Cannabis? Eine neue Studie liefert eine klare Antwort: Die meisten tun es nicht aus einem einzigen Grund. Forschende der Ohio State University und der University of Washington haben herausgefunden, dass viele junge Frauen Cannabis aus mehreren Gründen gleichzeitig verwenden – und dass diese Kombinationen Auswirkungen auf das Konsumverhalten und mögliche Nebenwirkungen haben.
In der Studie wurden über 500 Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren in den USA befragt – viele davon identifizierten sich als LGBTQ+. Zwei Wochen lang führten sie ein digitales Tagebuch, in dem sie täglich über ihren Cannabiskonsum berichteten. Ziel war es nicht nur zu erfassen, wie oft konsumiert wurde, sondern auch warum – und mit welchen Konsequenzen.
Die häufigsten Konsummotive
Aus über 5.000 dokumentierten Konsumereignissen ging hervor: Das am häufigsten genannte Motiv war die Bewältigung von Stress oder negativen Gefühlen (79 %). Weitere Gründe waren:
- Stimmungsaufhellung oder „um sich besser zu fühlen“ (40 %)
- Ein- oder Durchschlafprobleme (25 %)
- Medizinische Zwecke, z. B. zur Linderung von Schmerzen oder Übelkeit (18 %)
- Soziale Situationen verbessern oder Hemmungen abbauen (13 %)
Die meisten Teilnehmerinnen nannten im Durchschnitt zwei Gründe pro Konsumereignis.
Je mehr Motive, desto mehr Wirkung – und Risiko
Die Studie zeigte einen klaren Trend: Wer mehrere Gründe für den Konsum hatte, berichtete häufiger von:
- mehr Konsum-Sessions
- intensiverem und länger anhaltendem High
- mehr unerwünschten Effekten, etwa Übelkeit, Schwindel oder Angstzuständen
Aber: Nicht nur die Anzahl der Motive, sondern ihre Kombination machte den Unterschied.
Manche Motiv-Kombinationen bergen höhere Risiken
Mit Hilfe einer sogenannten „mehrstufigen latenten Klassenanalyse“ identifizierten die Forschenden sechs typische Motivkombinationen. Darunter:
- Stressbewältigung + soziale Gründe + Spaß – Diese Kombination war mit dem höchsten Konsum und den meisten Nebenwirkungen verbunden.
- Stressbewältigung + medizinische Gründe – Nutzerinnen in dieser Gruppe berichteten von einem moderaten Konsumverhalten mit weniger Nebenwirkungen.
- Stressbewältigung + Schlafprobleme – Ebenfalls eine eher risikoarme Kombination.
Fazit: Auch wenn zwei Personen dieselbe Anzahl an Gründen angeben, kann ihr Konsumverhalten sehr unterschiedlich sein – je nachdem, welche Gründe das sind.
Was das für Therapie, Beratung und Aufklärung bedeutet
Für medizinische Fachkräfte und Suchtberatende ergibt sich aus der Studie eine klare Empfehlung: Fragen Sie nicht nur „Wie oft konsumieren Sie?“, sondern auch „Warum?“ – und „Aus wie vielen Gründen gleichzeitig?“
Ein Tag, an dem Cannabis konsumiert wird, um Stress abzubauen, gesellig zu sein und Spaß zu haben, sollte als potenziell risikoreich gelten. Umgekehrt scheinen Kombinationen wie medizinische Anwendung plus Schlafhilfe mit einem deutlich geringeren Risiko verbunden zu sein.
Außerdem macht die Studie deutlich, wie wichtig es ist, geschlechtsspezifische und queere Perspektiven zu berücksichtigen – insbesondere bei der Forschung und Prävention im Bereich Cannabiskonsum.
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FAQ: Wichtige Begriffe erklärt
Was ist ein „Coping-Motiv“?
Darunter versteht man den Konsum von Cannabis zur Bewältigung negativer Gefühle wie Stress, Traurigkeit oder Angst. Es ist ein psychologischer Bewältigungsmechanismus, der jedoch mit einem höheren Risiko für problematischen Konsum verbunden sein kann.
Was meint man mit „Enhancement-Motiv“?
Ein Enhancement-Motiv bezeichnet den Wunsch, positive Gefühle zu verstärken – zum Beispiel mehr Spaß zu haben, Musik intensiver zu erleben oder geselliger zu sein.
Was ist eine „mehrstufige latente Klassenanalyse“?
Das ist ein statistisches Verfahren zur Entdeckung unsichtbarer Muster in Daten. In dieser Studie half es dabei, Gruppen typischer Motivkombinationen zu identifizieren, die mit verschiedenen Konsumverläufen verbunden sind.
Was ist der Unterschied zwischen medizinischem und emotionalem Konsum?
Medizinischer Konsum zielt auf körperliche Symptome wie Schmerzen oder Übelkeit ab. Emotionale Gründe („Coping“) betreffen psychische Belastungen. Beide können sich überschneiden, wurden in der Studie aber getrennt betrachtet.