Ein Traum verdorrt in der Wüste
Zwischen verdorrten Marihuanapflanzen auf einem staubigen Feld bei Belen in New Mexico kniet Pamela Craddock und blickt schweigend auf die sterbenden Stängel. Noch vor wenigen Jahren stieg sie mit ihrem Mann optimistisch in die legale Cannabisbranche ein – schuldenfrei und voller Hoffnung. Heute verlassen sie die Branche mit 40.000 Dollar Schulden und einer verlassenen Farm, auf der sich Unkraut breitmacht.
Dieses Schicksal teilen inzwischen viele Kleinbauern im ländlichen New Mexico. Ein neuer Kurswechsel in der Wasserpolitik hat den Zugang zu legalem Wasser drastisch eingeschränkt – und damit für viele Betriebe das wirtschaftliche Aus bedeutet.
Wassertransporte nicht mehr erlaubt
Als 2021 Cannabis für den Freizeitgebrauch in New Mexico legalisiert wurde, griffen viele landwirtschaftliche Betriebe auf sogenannte „Water Hauling“-Lösungen zurück: Sie ließen Wasser in Tanks anliefern, da sie keine eigenen Wasserrechte besaßen.
Doch Anfang 2024 folgte der harte Einschnitt. Die Cannabis Control Division (CCD), in Abstimmung mit dem Office of the State Engineer (OSE), verbot Wassertransporte als primäre Wasserquelle für den Anbau. Hintergrund: Vermehrte illegale Wasserentnahmen, insbesondere aus öffentlichen Kanälen und Flüssen.
„Viele glauben, wenn ein Fluss am eigenen Grundstück vorbeifließt, hätten sie automatisch Wasserrechte. Das ist ein Irrtum – vor allem hier in New Mexico“, erklärt John Romero, Leiter der Wasserrechtsabteilung des OSE. „Die rechtliche Lage ist äußerst komplex und historisch geprägt.“
Eine Geschichte, geschrieben im Wasser
Wasserrechte in New Mexico sind nicht nur juristische Formalien – sie sind das Ergebnis jahrhundertelanger Konflikte und Vereinbarungen. Ursprünglich geprägt von indigenen Nutzungsrechten, spanischer Kolonialgesetzgebung und später amerikanischem Recht, ist das heutige System ein undurchschaubares Geflecht, in dem der Zugang zu Wasser stark reglementiert ist.
Zudem kämpft der Bundesstaat aktuell mit extremen Trockenperioden – 40 % des Staatsgebiets gelten laut National Integrated Drought Information System als von extremer Dürre betroffen. Parallel tobt ein Rechtsstreit mit Texas und Colorado über die Nutzung des Rio Grande.
„Wir konnten uns Wasser einfach nicht leisten“
Für Pamela Craddock bedeutete die neue Regelung eine klare Entscheidung: Entweder Tausende Dollar für Wasserrechte investieren – oder ihre 200 Cannabispflanzen vertrocknen lassen. Die finanzielle Realität ließ keinen Spielraum.
„Ich liebe diese Pflanzen“, sagt sie. „Ich habe Bilder von mir, barfuß in der Erde, wie ich die Blätter per Hand reinige. Jetzt ist alles tot.“
Die Lizenz der Craddocks läuft im August ab. Bis dahin wollen sie versuchen, die letzten 30 Pfund getrocknetes Cannabis zu verkaufen, die sie vor der Umstellung noch ernten konnten.
Kleine Betriebe besonders betroffen
Die Auswirkungen der neuen Wasserpolitik treffen vor allem ländliche, unabhängige Betriebe. Arin Goold, Betreiberin eines Cannabisladens in Albuquerque und Besitzerin einer Farm in Estancia, berichtet, dass viele ihrer Kollegen bereits aufgegeben haben oder kurz davorstehen.
Selbst ihr eigener Betrieb steht auf wackeligem Boden: Zwar arbeitet sie mit dem Entranosa Water Association zusammen, doch ob diese langjährige Partnerschaft den neuen Kriterien genügt, ist unklar.
„Das hat weitreichende, gravierende Folgen“, warnt Goold.
Ein letzter Versuch in Ramah
Rund 60 Kilometer von der Grenze zu Arizona entfernt kämpft ein weiterer Kleinbauer um seine Existenz: Matthew Brown zog 2017 aus Texas nach New Mexico, um sich in der aufkommenden Cannabisindustrie zu etablieren. Er setzte auf ein Regenwassersammelsystem mit einem Fassungsvermögen von 11.000 Litern – genug, um seinen Bedarf zu decken. Doch der Staat erkennt Regenwasser nicht als primäre Wasserquelle an.
Brown erhielt eine einjährige Ausnahmegenehmigung, während er nach legalen Wasserrechten sucht. Doch das gestaltet sich schwierig, da sein Grundstück zwischen drei indigenen Stammesgebieten liegt, wo Landverkäufe stark reguliert sind.
„Wenn der Staat das von Anfang an ausgeschlossen hätte, hätten wir gar nicht erst mitgemacht“, sagt er. „Jetzt, nach drei Jahren, ändern sie plötzlich die Regeln.“
Er ergänzt: „Das Absurde ist: Wir müssten um Wasserrechte kämpfen, die wir wahrscheinlich nie brauchen werden.“
Temporäre Ausnahmen – aber keine Garantie
Die Behörden betonen, dass sie niemanden absichtlich aus dem Geschäft drängen wollen. Laut John Romero bietet der Staat betroffenen Betrieben temporäre Ausnahmen, um ihnen Zeit zur Anpassung zu geben.
Rund 75 Produzenten haben bislang solche Ausnahmen beantragt – die tatsächliche Zahl dürfte jedoch deutlich höher liegen, da die Lizenzerneuerungen gestaffelt erfolgen.
Für viele ist es jedoch bereits zu spät: Felder liegen brach, Investitionen verpuffen – und die Hoffnung auf einen Neuanfang verdunstet in der Hitze der Wüste.
Wenn Cannabis auf Klimawandel trifft
Die neue Wasserpolitik steht exemplarisch für die wachsenden Spannungen zwischen ökologischer Realität und wirtschaftlichen Interessen. Während große, finanzstarke Unternehmen möglicherweise Wege finden, sich an die neuen Regeln anzupassen, bleibt kleineren Betrieben oft keine Wahl – außer aufzugeben.
Angesichts des Klimawandels, schwindender Ressourcen und wachsender Regulierung wird klar: In der Zukunft der Cannabisbranche entscheidet nicht nur Qualität oder Nachfrage – sondern auch, wer Zugang zu Wasser hat.
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Die Krise in New Mexico zeigt, wie tiefgreifend Umwelt- und Regulierungsfragen die weltweite Cannabisproduktion beeinflussen. Überall auf der Welt kämpfen lokale Produzenten mit ähnlichen Problemen – von Genehmigungen über Wasserknappheit bis hin zu internationalen Handelsbarrieren. Mehr dazu in unseren internationalen Reportagen:
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