Britische Langzeitstudie legt nahe: Psychedelika könnten in Krisenzeiten emotionale Resilienz fördern
Eine neue Langzeitstudie mit über 240.000 Teilnehmenden aus dem Vereinigten Königreich zeigt, dass Menschen, die während der COVID-19-Pandemie sowohl Psychedelika als auch Cannabis konsumierten, im Durchschnitt eine Verbesserung ihrer psychischen Gesundheit erfuhren. Ihre Werte bei Depressionen und Angststörungen verbesserten sich über die Zeit – im Gegensatz zu anderen Gruppen von Drogenkonsumenten, deren psychisches Wohlbefinden konstant schlechter blieb.
Veröffentlicht wurde die Studie im Journal of Psychopharmacology unter der Leitung von Dr. Maria Bălăeţ, Leiterin des ASET Lab (Altered States, Evolution and Technology Laboratory) am King’s College London. Die Ergebnisse bieten neue Einblicke in die potenzielle Rolle von Psychedelika bei der Bewältigung kollektiver Belastungssituationen.
Pandemie als natürlicher Forschungsrahmen
Die Pandemie war ein globaler Stresstest – auch für die psychische Gesundheit. Viele Menschen griffen zu Substanzen, um ihre Emotionen zu regulieren. Während bisherige Studien meist Alkohol, Tabak oder Cannabis untersuchten, analysierte diese neue Untersuchung auch bewusstseinserweiternde Substanzen wie Psilocybin, LSD und DMT.
Die Studie basiert auf Daten des Great British Intelligence Test, einem von der BBC unterstützten Citizen-Science-Projekt, das seit 2019 Zusammenhänge zwischen Lebensstil, Kognition und Gesundheit erforscht. Mehr als 240.000 Personen machten zu Beginn Angaben, rund 68.000 davon wurden bis Januar 2022 mehrfach befragt.
Nicht jeder Drogenkonsum wirkt gleich
Die Forschenden teilten die Konsumenten in sechs Gruppen ein: ausschließlich Cannabis, ausschließlich Kokain, Cannabis und Kokain, Cannabis und Psychedelika, Polydrogenkonsumenten sowie Nutzer „sonstiger“ Substanzen. Diese Gruppen wurden mit drogenabstinenten Personen verglichen.
Anfangs hatten alle Konsumierenden schlechtere psychische Werte als Nicht-Konsumenten. Doch nur bei der Gruppe, die sowohl Cannabis als auch Psychedelika nutzte, zeigten sich über zwei Jahre hinweg signifikante Verbesserungen. Ihre Werte bei Depression und Angst näherten sich am Ende der Studie denen der abstinenten Vergleichsgruppe an.
Bei reinen Cannabis-Konsumenten war dagegen keine Besserung festzustellen – im Gegenteil: Ihre psychischen Beschwerden blieben auf hohem Niveau konstant.
Psychedelika wirken anders – aber warum?
Psychedelika verändern Wahrnehmung, Denken und Selbstbild. Anders als Substanzen wie Alkohol werden sie meist bewusst und selten konsumiert – oft in introspektiven oder therapeutischen Kontexten.
Während klinische Studien bereits Hinweise auf ihre Wirksamkeit bei Depressionen oder posttraumatischer Belastungsstörung liefern, stammen viele dieser Daten aus kontrollierten Laborsituationen. Die neue Studie hingegen betrachtet realen, unregulierten Konsum.
„Dass sich die mentale Gesundheit unter diesen Bedingungen verbessern kann, war unerwartet“, so Bălăeţ. „Es zeigt, wie wichtig der Kontext und die Intention hinter dem Konsum sein könnten.“
Krise vorbei – Gesundheit stabilisiert sich
Die Forschenden betonen, dass sich die Verbesserungen in einer Phase relativer gesellschaftlicher Stabilität zeigten – nach dem Höhepunkt der Pandemie. Dies deutet darauf hin, dass Psychedelika möglicherweise bei der Verarbeitung kollektiver Traumata helfen.
Dennoch: Die Studie bleibt beobachtend. Rückschlüsse auf Ursache und Wirkung sind nicht zulässig. Unklar bleibt unter anderem, wie häufig oder in welcher Dosis konsumiert wurde oder ob ergänzende Behandlungen wie Psychotherapie stattfanden.
Trotz dieser Einschränkungen gilt die Studie aufgrund ihrer Größe und Dauer als besonders aussagekräftig.
Neue Forschungsansätze für Psychedelika
Dr. Bălăeţ plant, ihre Forschung zu erweitern – insbesondere zu den Wechselwirkungen von Psychedelika mit Kreativität und kognitiver Flexibilität im Alltag.
„Diese Daten sind nur der Anfang“, erklärt sie. „Wir untersuchen jetzt, ob sich durch natürlichen Konsum Denkprozesse und Problemlösungen im Alltag messbar verändern.“
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