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Wenn THC den „Schmerzfilter“ des Gehirns einschaltet: neue Hoffnung bei Fibromyalgie

by CX
Fibromyalgia

Eine israelische Studie zeigt: Tetrahydrocannabinol (THC) kann einen subtilen Mechanismus im Gehirn aktivieren, der die Schmerzverarbeitung steuert. Der Fund könnte den Weg zu personalisierten Cannabinoid-Therapien gegen chronische Schmerzen ebnen.


Schmerz ist mehr als ein Signal

Schmerz entsteht nicht nur im Körper – er wird im Gehirn entschieden.
Neuronen prüfen ständig, welche Reize gefährlich sind und welche ignoriert werden können. Einige Schaltkreise dämpfen Signale, andere verstärken sie.

Bei Fibromyalgie-Patientinnen ist dieses Gleichgewicht gestört: Das Gehirn verliert seine Fähigkeit, Schmerzreize zu filtern, und reagiert überempfindlich. Herkömmliche Schmerzmittel helfen meist wenig – weshalb Cannabinoidezunehmend in den Fokus der Forschung rücken.


Die Studie: eine Dosis THC mit spürbarem Effekt

In einer randomisierten, doppelblinden Crossover-Studie untersuchten israelische Forschende 23 Frauen mit Fibromyalgie.
An zwei unterschiedlichen Tagen erhielten die Teilnehmerinnen entweder eine sublinguale THC-Öldosis (0,2 mg/kg)oder ein Placebo.

Etwa zwei Stunden nach der Einnahme wurden thermische Schmerztests durchgeführt und die spontane Schmerzintensität mit dem McGill-Fragebogen gemessen. Die Ergebnisse waren deutlich:

  • THC senkte die Schmerzwerte signifikant im Vergleich zu Placebo.
  • Es verstärkte die sogenannte Offset-Analgesie (OA) – die Fähigkeit des Gehirns, die Schmerzempfindung rasch zu reduzieren, wenn der Reiz leicht nachlässt.
  • Die Conditioned Pain Modulation (CPM), ein weiterer schmerzhemmender Mechanismus aus dem Hirnstamm, blieb unverändert.

Wie THC den Schmerzfilter schärft

Die Offset-Analgesie gilt als eine Art zeitlicher Schmerzfilter. Sie zeigt, wie gut höhere Hirnregionen – insbesondere Präfrontalcortex, vorderer Gyrus cinguli und Insula – Schmerzreize modulieren können.

Nach der THC-Einnahme arbeitete dieser Filter effizienter: Das Gehirn der Teilnehmerinnen schaltete den Schmerz schneller ab, sobald die Hitze nur geringfügig sank.

Bemerkenswert war auch: Je stärker die OA bereits zu Beginn ausgeprägt war, desto größer war die Schmerzlinderung durch THC. OA könnte somit als biologischer Marker dienen, um vorherzusagen, wer besonders von Cannabinoiden profitiert.


Bedeutung für die Behandlung von Fibromyalgie

Die moderne Schmerzmedizin strebt individualisierte Therapien an. Nicht jede Patientin spricht gleich auf ein Medikament an – das gilt auch für THC.

Sollte sich der OA-Test als prädiktiver Marker bestätigen, könnten Ärztinnen und Ärzte Cannabinoide gezielter einsetzen, Nebenwirkungen vermeiden und Therapien effizienter gestalten.

In dieser Studie traten vorwiegend leichte Nebenwirkungen auf: Übelkeit, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche – jedoch keine schwerwiegenden Komplikationen.


Erst der Anfang

Die Stichprobe war klein und ausschließlich weiblich; größere, geschlechtsgemischte Studien sind notwendig. Zudem erschwert der psychoaktive Effekt des THC die Verblindung – viele merken, ob sie das echte Präparat erhalten haben.

Trotzdem liefert die Untersuchung einen wichtigen Hinweis: THC wirkt offenbar nicht auf klassische Schmerzareale, sondern auf fein abgestimmte Kontrollnetzwerke des Kortex. Dort entscheidet das Gehirn, wie stark Schmerz wahrgenommen wird.

Gerade bei Fibromyalgie, wo Schmerz aus einer zentralen Fehlregulation entsteht, könnten Cannabinoide künftig eine Schlüsselrolle spielen.


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FAQ

Was ist Offset-Analgesie (OA)?
OA beschreibt die Fähigkeit des Gehirns, die Schmerzempfindung schnell zu verringern, sobald ein Reiz etwas schwächer wird. Sie spiegelt die Funktion höherer kortikaler Schmerzhemmung wider.

Was bedeutet Conditioned Pain Modulation (CPM)?
Bei der CPM hemmt ein Schmerzreiz die Wahrnehmung eines anderen. Dieser Mechanismus hängt von Hirnstammstrukturen wie dem periaquäduktalen Grau ab.

Warum ist der Unterschied zwischen OA und CPM wichtig?
Weil THC nur die OA, nicht aber die CPM beeinflusste. Das zeigt, dass der Wirkstoff vor allem auf kortikale Regelkreise wirkt – und nicht auf die typischen Hirnstamm-Bahnen klassischer Schmerzmittel.

Kann THC heute schon zur Behandlung der Fibromyalgie eingesetzt werden?
Noch nicht flächendeckend. Die Ergebnisse sind vielversprechend, müssen jedoch in größeren Studien bestätigt werden, bevor offizielle Empfehlungen möglich sind.

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