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Eine groß angelegte genetische Studie mit über 130.000 Teilnehmenden hat deutliche Zusammenhänge zwischen den Genen, die den Cannabiskonsum beeinflussen, und einer Vielzahl psychischer, kognitiver und körperlicher Merkmale aufgezeigt – darunter Schizophrenie, Impulsivität, Diabetes und chronische Schmerzen.
Forschende der University of California San Diego School of Medicine haben gemeinsam mit 23andMe Regionen des menschlichen Genoms identifiziert, die mit der Wahrscheinlichkeit des Cannabiskonsums und der Häufigkeit des Gebrauchs verbunden sind. Die Ergebnisse, veröffentlicht am 13. Oktober 2025 in der Fachzeitschrift Molecular Psychiatry, könnten künftig gezielte Strategien zur Vorbeugung und Behandlung von Cannabisgebrauchsstörungen (CUD) ermöglichen.
„Cannabis wird weltweit konsumiert, doch seine langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit sind noch unzureichend erforscht“, sagte Dr. Sandra Sanchez-Roige, Hauptautorin der Studie. „Wenn wir die genetischen Grundlagen des Konsumverhaltens verstehen, können wir besser vorhersagen, wer gefährdet ist, eine Abhängigkeit zu entwickeln.“
Genetische Hinweise auf das Konsumverhalten
Die meisten Menschen, die Cannabis ausprobieren, entwickeln keine Abhängigkeit. Dennoch schätzen Studien, dass fast ein Drittel aller Konsumierenden problematische Nutzungsmuster entwickeln könnte.
Um die zugrunde liegenden Ursachen zu verstehen, führten die Forschenden eine genomweite Assoziationsstudie (GWAS) durch. Dabei wurden genetische Daten und Umfrageergebnisse von 131.895 Teilnehmenden aus dem Forschungsprogramm von 23andMe analysiert. Die Befragten gaben an, ob sie Cannabis konsumiert hatten und wie oft.
„Wir wissen seit Jahrzehnten, dass genetische Faktoren beeinflussen, ob Menschen Drogen ausprobieren, wie oft sie konsumieren und wie hoch ihr Risiko für Abhängigkeit ist“, erklärte Dr. Abraham Palmer, Co-Autor der Studie und stellvertretender Forschungsleiter an der UC San Diego. „Mit Werkzeugen wie GWAS können wir die molekularen Systeme identifizieren, die den Cannabiskonsum mit Gehirnfunktion und Verhalten verbinden.“
Zwei Gene standen besonders im Fokus:
- CADM2 (Cell Adhesion Molecule 2) – beteiligt an der Bildung neuronaler Verbindungen im Gehirn. Es wurde bereits mit Impulsivität, Fettleibigkeit und Krebsmetastasen in Verbindung gebracht und nun auch mit der Häufigkeit des Cannabiskonsums.
- GRM3 (Metabotropic Glutamate Receptor 3) – ein Gen, das die neuronale Kommunikation reguliert und zuvor mit Schizophrenie und bipolaren Störungen assoziiert war.
Von der Genetik zur Gesundheit
In einer erweiterten Analyse identifizierten die Forschenden 40 weitere Gene, die mit dem Cannabiskonsum in Verbindung stehen – 29 davon wurden erstmals mit cannabisbezogenen Merkmalen in Verbindung gebracht.
Durch den Abgleich mit großen Gesundheitsdatenbanken – darunter das NIH-Programm All of Us und die Biobank der Vanderbilt University – zeigten sich genetische Überschneidungen mit über 100 verschiedenen Merkmalen, darunter:
- Psychische Erkrankungen – Schizophrenie, ADHS, Angststörungen, Depressionen
- Kognitive Merkmale – Risikoverhalten, exekutive Funktionen
- Körperliche Gesundheit – Diabetes, chronische Schmerzen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen
- Verhaltens- und Infektionsrisiken – Tabakkonsum, HIV, Hepatitis, Autoimmunerkrankungen
„Indem wir Zwischenverhaltensweisen untersuchen – also jene, die einer Störung vorausgehen –, können wir nachvollziehen, wie sich genetische Risiken im Laufe der Zeit entfalten“, erklärte Dr. Hayley Thorpe, Erstautorin der Studie.
Derzeit gibt es keine von der FDA zugelassenen Medikamente zur Behandlung von Cannabisgebrauchsstörungen. Die Forschenden hoffen, dass die genetischen Erkenntnisse künftig neue Therapieansätze und präventive Maßnahmenermöglichen werden – besonders wichtig, da Cannabis weltweit zunehmend legalisiert und gesellschaftlich akzeptiert wird.
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FAQ: Wichtige Begriffe erklärt
1. Was ist eine GWAS?
Eine Genome-Wide Association Study (GWAS) durchsucht das gesamte Erbgut vieler Menschen, um genetische Varianten zu finden, die mit bestimmten Verhaltensweisen oder Krankheiten zusammenhängen.
2. Welche Rolle spielt das Gen CADM2?
CADM2 beeinflusst, wie Nervenzellen im Gehirn miteinander kommunizieren. Es wurde mit Impulsivität und der Häufigkeit des Cannabiskonsums in Verbindung gebracht.
3. Was versteht man unter einer Cannabisgebrauchsstörung (CUD)?
Dabei handelt es sich um eine medizinische Diagnose, bei der der Cannabiskonsum das tägliche Leben beeinträchtigt – etwa durch soziale, berufliche oder gesundheitliche Probleme.
4. Was sind metabotrope Glutamatrezeptoren (z. B. GRM3)?
Das sind Proteine, die die Signalübertragung zwischen Nervenzellen steuern. Veränderungen im GRM3-Gen wurden bereits mit psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie in Verbindung gebracht.