Ein wissenschaftliches Vokabular für den Geruch von Cannabis
Wissenschaftler der Oregon State University haben ein neues Glossar zur Beschreibung der Cannabis-Aromen entwickelt – und stellen damit zentrale Annahmen der Branche auf den Prüfstand. Veröffentlicht in der Fachzeitschrift PLOS One, liefert die Studie erstmals eine strukturierte Liste mit 25 Begriffen zur Beschreibung des Geruchs von unverbranntem Cannabis. Das Ziel: eine gemeinsame Sprache, die sowohl in der Forschung als auch in der Cannabisindustrie Anwendung finden kann.
Die Wissenschaftler betonen, dass die präzise Beschreibung von Geruch ein entscheidender Schritt ist, um Produkte nachvollziehbarer zu klassifizieren, Verbraucher besser zu informieren und Qualitätsstandards zu etablieren – besonders in einem Markt, der sich zunehmend professionalisiert.
So lief die Studie ab
Für ihre Analyse untersuchten die Forscher 91 verschiedene Cannabisblüten. Ein geschultes Panel aus 21 Geruchstesterinnen und -testern erhielt die Aufgabe, Geruchsmerkmale der Proben zu bewerten, ohne die Blüten zu verbrennen. Insgesamt wurden dabei 8.075 Beschreibungen gesammelt.
Aus dieser Datenfülle kristallisierten sich drei Hauptaromen heraus: „kräuterartig“, „zitrusartig“ und „holzig“. Diese machten allein 26 Prozent aller genannten Geruchseindrücke aus. Daraus entwickelten die Forscher ein 25-teiliges Aromen-Vokabular, das künftig als Referenz für Sensorik-Studien und die Produktbeschreibung in der Cannabisbranche dienen könnte.
Das Glossar ist laut den Autoren kein abschließendes Werk, sondern ein Fundament, das in kommenden Studien weiter ausgebaut und validiert werden soll.
Terpene allein erklären den Geruch nicht
Die Rolle der Terpene wird in der Cannabiswelt seit Jahren hervorgehoben – sie gelten als die Hauptverantwortlichen für Geruch und Wirkung. Doch die neue Studie zeigt: Diese Annahme ist überbewertet.
Zwar ließen sich chemisch bestimmte Terpengruppen identifizieren, doch sie korrelierten nicht zuverlässig mit den tatsächlich wahrgenommenen Geruchsbeschreibungen. Nur ein einziges Terpen – Terpinolen – zeigte eine konsistente Verbindung zu Begriffen wie „zitrusartig“ oder „chemisch“. Ansonsten waren weder einzelne Terpene noch deren Gesamtgehalt geeignete Indikatoren für Geruchsintensität oder -charakter.
Fazit: Der Geruch einer Cannabissorte lässt sich nicht zuverlässig aus dem Terpenprofil ableiten – ein entscheidender Punkt angesichts der aktuellen Marketingpraktiken in der Branche.
THC, CBD und ihr Einfluss auf das Aroma
Auch die gängigen Annahmen rund um THC und CBD bekamen in der Studie Risse. Hohe THC-Werte – oft als Qualitätsmerkmal beworben – waren mit wenig angenehmen Geruchsbeschreibungen wie „tierisch“, „muffig“ oder „skunkartig“ verbunden. Im Gegensatz dazu wurden Blüten mit höherem CBD-Anteil häufiger mit angenehmen Begriffen wie „fruchtig“, „zitrusartig“ oder „süßlich“ beschrieben.
Dies unterstreicht, dass Aroma – und nicht die Cannabinoidkonzentration – ein besserer Prädiktor für den subjektiven Konsumgenuss ist. Die alleinige Fokussierung auf THC-Werte greift damit zu kurz und könnte Konsumenten in die Irre führen.
Weitere Aromaträger: Estern, Aldehyden und Co.
Wenn Terpene nicht ausschlaggebend sind, was verleiht Cannabis dann seinen charakteristischen Duft? Die Autoren der Studie vermuten, dass bisher kaum untersuchte Stoffklassen wie Ester, Aldehyde oder flüchtige Schwefelverbindungen eine entscheidende Rolle spielen könnten.
Diese Stoffe könnten in komplexer Weise miteinander interagieren und auf diese Weise neue Geruchsprofile erzeugen, die über das hinausgehen, was einzelne chemische Komponenten vermuten lassen. Weitere Forschung in diesem Bereich könnte neue Standards für Züchtung, Produktentwicklung und Qualitätsbewertung etablieren.
Bedeutung für Industrie, Forschung und Konsumenten
Die Etablierung eines wissenschaftlich fundierten Aromen-Glossars könnte langfristig ein wichtiges Werkzeug für die Cannabisbranche werden. Gerade in einem Markt, der immer mehr reguliert wird, kann ein einheitliches Vokabular helfen, Konsumenten besser zu informieren und Herstellungsprozesse zu optimieren.
Zukünftige Studien sollten die Sample-Größe erweitern und weitere Anbau-, Ernte- und Lagerbedingungen mit einbeziehen. Zudem fordern die Forscher, sensorische Daten stärker mit Konsumentenfeedback zu kombinieren, um Produkte gezielter auf Vorlieben abstimmen zu können.
Vertiefung: Wie Geruch die Wahrnehmung von Cannabis verändert
Diese Forschung zum Cannabis-Aroma reiht sich ein in eine wachsende Zahl von Studien, die neue Perspektiven auf die Pflanze eröffnen. So zeigt eine neue Untersuchung, wie CBGD – ein seltener Wirkstoff – entzündungshemmende Effekte auf die Haut entfalten kann mehr erfahren. Parallel dazu untersucht eine weitere Studie die Rolle von medizinischem Cannabis bei der Reduktion von Opioiden bis zum Jahr 2025 zur Analyse. Und in einem anderen spannenden Bereich wird beleuchtet, wie Cannabis und Psychedelika die psychische Gesundheit nach der COVID-Pandemie beeinflussen könnten hier weiterlesen.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zum Cannabis-Aromen-Glossar
1. Warum wurde ein neues Aromen-Glossar für Cannabis entwickelt?
Um eine wissenschaftlich fundierte und einheitliche Sprache zur Beschreibung des Cannabisgeruchs zu schaffen – sowohl für Forschung als auch für die Praxis.
2. Welche Aromen treten bei Cannabis am häufigsten auf?
Laut Studie sind „kräuterartig“, „zitrusartig“ und „holzig“ die am häufigsten genannten Geruchsprofile.
3. Spielen Terpene eine Rolle beim Geruch?
Ja, aber sie sind keine verlässlichen Prädiktoren. Die Studie zeigt, dass Terpenprofile oft nicht mit dem wahrgenommenen Geruch übereinstimmen.
4. Hat der THC- oder CBD-Gehalt Einfluss auf das Aroma?
Ja – THC-reiche Sorten wurden häufiger als „muffig“ oder „animalisch“ beschrieben, während CBD-reiche Sorten als „fruchtig“ oder „süßlich“ galten.
5. Welche weiteren Stoffe könnten das Aroma beeinflussen?
Neben Terpenen könnten auch Ester, Aldehyde oder flüchtige Schwefelverbindungen eine wichtige Rolle spielen.
6. Wird dieses Glossar künftig in der Branche verwendet?
Das ist möglich. Es bietet ein Fundament für weitere Forschung und könnte die Grundlage für neue Standards in der Produktbeschreibung bilden.